Schauspielerin, Schriftstellerin, Illustratorin. Sie spielt mit den Größten den Branche in Hollywood, ihr Buch AS OF NOW, ist in aller Munde und sie illustrierte SHORTS, Kurzgeschichten von Paulo Coelho und den Bestseller BADOLINA von Gabi Nitazn. Ayelet Zurer, der Tausendsassa. Wie sie da hin kam? Sie kann es selbst kaum fassen!
Talent hat man, um es zu benutzen. Und es wird sich im Leben immer einen Weg bahnen, wenn man sich nicht ausgesprochen dagegen verhält. Auch Ayelet Zurer besuchte die Schauspielschule in Tel Aviv zunächst nur aus dem Grund, weil ihre Freunde sich nunmal dort eingeschrieben hatten. Dass sie dann binnen kürzester Zeit in den Schauspieler-Olymp vorstieß, ist jener Kraft des Talentes geschuldet, das sich, wenn man sich flexibel verhält, immer durchsetzen wird. Ob das vom Schicksal so vorgeschrieben ist – wer weiß das schon.
Heute ist sie durch ihre Bühnenauftritte im Habima National Theatre bis hin zu Filmen und Fernsehproduktionen eine der bekanntesten Schauspielerinnen Israels. Und ihr einzigartiges Talent belohnte mit zahlreichen Auszeichnungen: Preis der Israeli Film Academy für ihre Hauptrolle als Titelfigur in NINA'S TRAGEDIES, Preis der Israeli Television Academy für die beste Darstellerin für ihre herzzerreißende Rolle in IN THERAPY. Sie wurde auch für ihre Rolle in STISEL (Netflix) nominiert und gewann erneut mit ihrer Hauptrolle in BNEI ARUBA (angepasst für CBS 'HOSTAGES), für die sie den Golden Nymph Award in Monte-Carlo, Europas größtem Fernsehfestival, gewann. Für ihre Hauptrolle in dem Film MILADA (Netflix) wurde sie bei den Czech Lion Awards als beste Hauptdarstellerin nominiert.
Aber alleine mit den renommiertesten Schauspielern arbeiten zu können, ist bereits eine Auszeichnung. Die erste weltweite Beachtung erhielt die Hollywood Schauspielerin nach dem Steven Spielberg sie als Eric Bana’s Frau in dem Oscar nominierten Film Munich besetzt hatte. Anschließend ging es Schlag auf Schlag. So spielte sie mit Tom Hanks in Angels & Demons, RegisseurRon Howard oder zusammen mit Russell Crowe in Man of Steel, Regisseur Zack Snyder. In Sonys VANTAGE POINT mit Dennis Quaid und William Hurt, Samuel Goldwyns FUGITIVE PIECES mit Stephen Dillane, sie spielte in Lawrence Kasdans DARLING COMPANION und in Paul Schraders ADAM RESURRECTED mit Jeff Goldblum. In LAST DAYS IN THE DESERT mit Ewan McGregor, LAST KNIGHTS neben Clive Owen, in MGMs BEN HUR und in der erfolgreichen MARVEL-Serie DAREDEVIL neben Vincent D’Onofrio.
Aktuell ist sie in der Hauptrolle als "Alice" in der Apple TV+ Original-Serie LOSING ALICE zu sehen. Und schon wieder überschlagen sich die Kritiker: „brillant“, „ein Kunstwerk“ und eine „nuancierte Tour de Force“. Losing Alice – eine aufregende filmische Reise und eine reichhaltige komplexe Erzählung, die einen durch das Bewusstsein und Unterbewusstsein von Alices Geist führt, während sich die Wendungen der Geschichte entfalten.
Doch jetzt stehe erst einmal ich auf dem Programm. Mit einem Treffen per Zoom im Home-Office, bei mir 21:00 Uhr, bei ihr, in L.A. warme Mittagszeit. Und sie ist überpünktlich. Vor mir sitzt eine schöne, aussdrucksstarke Frau, zunächst verwundert über die Tiefe und Andersartigkeit meiner Fragen, dann mit Begeisterung bei der Sache. Mein Thema: Humor und Leichtigkeit des Seins. Ihre Antworten: Gott sei Dank, tiefgründig und ehrlich. Dann fangen wir mal an, lernen wir Ayelet Zurer kennen:
Ich denke, Humor entwickelt sich erst mit dem Alter. Humor braucht Weisheit und man muss viel erlebt haben, auch negative Dinge. Bist Du eine humorvolle Person?
Ja, das bin ich. Ich stimme aber nicht mit Dir überein. Ich denke, Humor beginnt bereits in jungen Jahren. Man hat ihn oder nicht. Ich denke das, weil ich einen Sohn habe und der hat bereits ganz früh über Timing verfügt, wenn er Späße gemacht hat. Ich habe mich damals gefragt, wie ein vier Jahre altes Kind bereits über Timing verfügen kann. Er war also schon damit ausgestattet. Ich selbst war in meiner Jugend nicht unbedingt von lustigen Leuten umgeben. Mein Vater hatte einen ganz speziellen, sarkastischen Humor. Aber generell denke ich, dass Humor das Sexieste ist, was eine Person haben kann. Eine humorvolle Person wird auch nicht wirklich älter.
Denkst Du nicht, dass Kinder bereits weise sein können?
Ja, wenn man an die Essenz denkt, die hier auf die Welt kommt, unbedingt. Ich habe spirituelle Erfahrungen gemacht, bei denen mich jemand fragte: Wer bist Du? Ganz tief im Inneren und wenn man das Äußere weg lässt. Und für mich war es schon erstaunlich, dass, wenn ich mich auf die fünf, sechs Charakteristika beschränke, die mich wirklich ausmachen, ich ein sehr glücklicher Mensch bin. Denn der Rest ist angelernt oder kommt durch Erfahrungen hinzu. Aber die Essenz in uns ist sehr positiv.
Über was kannst Du immer lachen?
Ich lache sehr viel über mich und ich lache sehr viel in meiner Beziehung zu meinem Mann und zu meinem Kind. Ich denke Beziehungen sind das Lustigste, was es gibt. Denn wenn man mit jemanden zusammen lebt und ihn sehr gut kennt, können diese Schwachpunkte und Gewohnheiten, die immer wieder auftreten, wirklich sehr lustig sein. Ich persönlich bewundere Menschen, die über sich selbst lachen können.
Was findest Du gar nicht lustig?
Alles, was verletzend ist oder Schmerzen verursacht. Ich finde Kindesmisshandlung nicht lustig, ich kann nicht darüber lachen, wenn Frauen missbraucht werden, nicht über Korruption. Es gibt viele und viele spezielle Dinge, über die ich nicht lachen kann.
Wenn Du in eine Rolle schlüpfst, dann musst Du Dich mit dieser sehr auseinandersetzen. Ist das so, als hättest du viele verschiedene Leben gelebt?
Die guten Rollen, die gut geschrieben sind, haben eine subtile und unterbewusste Essenz. Und wenn man in sie hineingeht, dann fühlt man sich wirklich so, als befände man sich im Leben eines anderen Menschen. Zum Beispiel müssen bei der aktuellen Rolle in „Losing Alice“ Leute herumgescheucht werden. Ich persönlich würde niemals Leute herumscheuchen. Ich bin das also gar nicht. Und manchmal fühle ich mich, als wäre mein Innerstes wie gefangen. Wie eine Maus in einem Labor. Wo alle Umliegenden beobachten, was mit mir passiert, wenn man mich dies oder das machen lässt.
Wenn du dann nach Hause kommst, machst Du was genau, um diese schlechten Gefühle wieder los zu werden?
Eine der schlimmsten Rollen war hier Milada von Netflix für mich. Hier ging es um eine Menschenrechtsaktivistin. Da bin ich heimgekommen und ich habe sie einfach nicht aus mir herausbekommen. Es war so eine traurige und tragische Geschichte. Ich bin dann zur Kosmetikerin gegangen, um mich zu entspannen und sie meinte nur: „Du bist heute irgendwie ganz anders, was ist los? Du fühlst dich heute irgendwie komisch an.“ Sie hat dann gesagt, ich solle unbedingt an den Strand gehen, ein bisschen Spaß haben und wieder ich selbst werden.
Verändert sich deine Lebenshaltung mit jeder herausfordernden Rolle?
Unbedingt. Menschen sehen normalerweise nur die Belange ihres eigenen Lebens. Manche sehen ein bisschen mehr und sind empathischer und flexibler. Aber wenn man schauspielt und sich in die Rolle eines anderen Menschen versetzen muss, bekommt man wirklich eine völlig andere Perspektive, die man vorher nicht hatte. Teilweise völlig konträr zu dem, wie man selbst ist, wie man sich selbst verhalten würde, was man selbst denkt oder was man gelernt hat. Wiederum bei Milada war das so. Auch wenn man zum Beispiel Beziehungen zu anderen Menschen spielen muss, die in Wirklichkeit sehr gut sind, im Film, aber problematisch. Zum Beispiel zur Mutter oder Großmutter, ist das sehr schwierig, öffnet aber den Geist.
Du hast so viele verschiedene weibliche Rollen gespielt, so viele verschiedene Charaktere, derzeit Alice, die eine enorme Veränderung durchmacht. Was für eine Frau bist Du selbst?
Alice ist zum Beispiel eine sehr starke Frau. Mit einer sehr komplexen Leidenschaft. Sie muss kreieren und ist auch eine Autorin. Und sie ist eine Person, die sich oftmals selbst belügt. Eines was ich gemacht habe ist, alle diese Stellen im Skript zu markieren, wo sie sich selbst belügt. Ich denke, ich selbst bin nicht ständig in der Lüge. Ich bin sehr aufrichtig mit mir selbst. Aber sie hat in mir eine große Frage aufgeworfen: Sind wir uns wirklich immer bewusst, wer wir wirklich sind und sind wir so, wie wir glauben? Und wie weit gehen wir, wenn wir etwas unbedingt möchten? Große Fragen. Ich denke, ich bin gut mit mir verbunden und treffe Entscheidungen aus meiner Mitte und nicht um jeden Preis. Alice hingegen trifft Entscheidungen, die für sie selbst passend sind, egal, welchen Preis sie dafür bezahlen muss.
Was siehst Du, wenn Du in den Spiegel schaust? Sprichst Du mit dir selbst? Seit neuestem sprechen wir alle plötzlich Tag und Nacht mit uns selbst. Was sagst Du zu Dir?
Ich war früher sehr hart zu mir selbst. Ich glaube, ich habe mir selbst viel Leid zugefügt. Ich befand niemals als gut genug, ich habe nie genug getan, ich war nicht talentiert genug. Nichts war genug. Und das hat sehr viele Schmerzen in meinem Leben verursacht. Zwei tragische Ereignisse in meinem Leben, in den letzten zehn Jahren, haben das wirklich verändert. Das eine war, dass ich verstanden habe, dass wenn man sich selbst nicht so annimmt, wie man ist, man auch zu anderen Menschen nicht nett sein kann. Das zweite war ein physisches Problem, das mir zu verstehen gegeben hat, dass das Leben sehr kurz sein kann. Damals habe ich dann angefangen zu meditieren. Und durch die Meditationen habe ich gelernt, auf die Stimme in mir zu hören. Jene Stimme, die man wirklich in sich wahrnimmt, wenn man in den Spiegel schaut. Und wenn man sich dann dieser Stimmen bewusst wird, kann man auch gegen sie angehen und diese alten Muster ausmerzen. Wenn ich heute zum Beispiel an einem schlechten Ort bin, praktiziere ich das und sage mir: „Du bist großartig, gesund und wunderbar.“
Vor langer Zeit habe ich Shimon Perez zum Interview getroffen. Wir haben über Frieden und die Zukunft in Israel gesprochen. Deine Heimat Israel kämpft seit Jahrzehnten für den Frieden. Ist dieser Kampf auch in Dir verankert?
Ich denke, ich bin eine ziemlich freie Person. Ich hinterfrage die Dinge. Aber natürlich trage ich einen Teil der Geschichte Israels in mir. Ich war ein kleines Mädchen, als mein Vater in den Krieg musste. Als er zurückkam, war er nicht mehr derselbe Mensch. Ich lebte fortan mit einem Menschen zusammen, der Soldat gewesen ist, der viele Menschen hat sterben sehen. Das ist natürlich ein Teil meiner Psyche.
Die Freiheit, man selbst zu sein und so wie man ist – ist das in Hollywood überhaupt lebbar?
Es gibt einen Grund, warum bestimmte Schauspieler und Schauspielerinnen nicht in Hollywood/Los Angeles leben. Menschen, die sich sehr um ihr Leben und sich selbst kümmern und so sein möchten, wie sie sind. Für mich war es eine große Lernkurve, Make-up aufzutragen, was ich vorher nie gemacht habe und ich musste mir auch ein paar gute Anziehsachen kaufen. Aber ich schätze das Ganze auch. Allerdings kann man nicht alles sagen, was man denkt und muss trotzdem so bleiben, wie man ist. Als ich mit Tom Hanks zusammen gespielt habe, hat er mir diesbezüglich eine wunderbare Regel an die Hand gegeben. Er sagte
zu mir: „Wenn Du nicht wirklich etwas Bedeutendes zu sagen hast, dann sag besser nichts.“
Wie würdest Du Glück beschreiben?
Ich denke, ich bin sehr glücklich. Ich habe gerade einen Artikel über den Unterschied zwischen Glück und Fortune gelesen. Bin ich eine vom Glück geküsste Person? Mit Sicherheit! Einen Anruf bekommen zu haben, als ich in einem Fischerdorf in Tel Aviv gelebt habe und einen Casting Direktor in der Leitung zu haben, der einen überraschend will. Das war so unglaublich, völlig verrückt. Oder dass ich hierher kommen durfte, nach Hollywood oder dass Rollen, die ich erst abgelehnt hatte oder vor denen ich Angst hatte, dann nochmal in mein Leben kamen und nochmal angeklopft haben. So viele Möglichkeiten, die ich erhalten habe. Aber ich denke, Glück ist etwas, was man erarbeiten muss. Indem man Möglichkeiten in seinem Leben kreiert. Und je mehr man davon kreiert, desto mehr Möglichkeiten hat man, glücklich zu sein. Ich habe sehr hart daran gearbeitet, glücklich sein zu können. Und ich bin sehr glücklich in dem, was ich habe, ich liebe meinen Ehemann, mein Leben, mein Kind, mein Zuhause.
Photographer: Syndication/Tony Duran
Hair & Make Up: Yaniv Katzav @yanivkatzav