Hape Kerkeling im exklusiven Interview

Hape Kerkeling im exklusiven Interview

Das halbe Leben ist Warten. Und da hat es noch fein, wer nur auf Züge, Flugzeuge, Anrufe und Termine wartet. Denn nur zu oft müht sich der ein oder andere mit dem ewigen Warten auf persönliche Chancen, Liebe und Gelingen. Aber erst, wenn sich ausreichend Durchhalte-vermögen und Belastungsfähigkeit zur wie auch immer gearteten Warterei gesellen, gestaltet sich daraus ein höchst inhaltsvoller Prozess. Und ab diesem Moment wird der Nutzen des geduldigen Dranbleibens sichtbar: die Entwicklung in die Zeit, die schließlich in einen geeigneten Moment der Lösung gipfelt. Ein permanenter hochzulobender Prozess.

Die Fähigkeiten, die in diesen oft langwierigen und durchaus mühevollen Stadien trainiert werden, lassen sich am besten mit dem täglichen Training eines Sportlers vergleichen, der sich gewissenhaft den immer gleichen körperlichen Herausforderungen stellt, um sich vehement ein fast unsichtbares Mal mehr zu steigern. Alles für den einen Moment, an dem seine Kräfte im Wettkampf zum Sieg verhelfen sollen. Stärke bedeutet somit das kontinuierliche Füllen von dafür vorgesehener Zeit mit nahezu unsichtbar kleinen Erlebnissen, um in diesem einen, mit Sicherheit kommenden, bestimmten Moment gut vorbereitet dazustehen. Dazu muss man dranbleiben. Was auch immer kommen möge. Das macht den feinen erfolgreichen Unterschied.

Wie bei Comedian, Schauspieler, Regisseur, Autor und Sänger Hape Kerkeling. Ein Mensch, der für Humor, Vielseitigkeit und Stärke steht. Seit so vielen Jahren prägt er die deutsche Unterhaltungsbranche mit seinem unvergleichlichen Talent und seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit. Nun tritt er erneut in eine Rolle ein – die des weltberühmten Cartoon-Katers Garfield, der bekannt ist, für seine laszive Attitüde und seinen unersättlichen Appetit. Als Garfield wird Kerkeling nicht nur die Lacher der Zuschauer ernten, sondern auch eine Botschaft von wahrer Stärke und Selbstbewusstsein vermitteln – Eigenschaften, die er selbst verkörpert und die ihn zu einem Vorbild für viele machen.

Natürlich haben beide, Kerkeling und Garfield, trotz derart bedeutender Namen, auch mal mühsame oder schwache Zeiten erleben müssen. Spätestens seit Kerkelings Buch, 

„Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg“, wissen wir das alle von ihm. Und von Garfield erfahren wir selbiges in seinem neuen Film. Wichtig ist in solchen Zeiten nur, dass die Ambition immer wieder die Regie übernimmt. Das „Selbst“, wie es die Philosophen nennen, das kontinuierlich versucht, sich zu vervollkommnen und Sinn zu stiften.

Hape Kerkeling ist ein Revoluzzer. Er hätte nie anders sein können. Er hat sich im positivsten Sinne immer gegen Engstirnigkeit und Unfreiheit aufgelehnt, hat permanent Elan und optimistische Angriffslust gezeigt. Er ist ein disziplinierter, durchwegs passionierter, unkonventioneller Kreateur und das seit frühester Jugend. Sein Erfolg ist legendär. Warum das so ist, was Stärke für ihn bedeutet und wie er sich als  Garfield fühlt, darüber sprachen wir mit ihm persönlich. 

 

Lieber Hape, wie fühlt es sich an, die legendäre Cartoon-Figur Garfield zu verkörpern? 

Ich durfte ja bereits 1987 in elf Folgen den Garfield sprechen. Das habe ich sehr geliebt und dann hörte es mit einem Mal 1988 auf. Seitdem habe ich eigentlich immer darauf gewartet, dass 

es weitergeht. Das hat jetzt ein Weilchen gedauert. Als ich dann irgendwann in der Vorankündigung in der Presse laß, es kommt ein großer neuer Garfield-Film, hatte ich die stille Hoffnung, dass man mich fragen würde und war unfassbar glücklich, als das dann genau so geschah, weil sich da für mich jetzt ein Kreis schließt. Und im Gegensatz zu damals geht es jetzt nicht nur um Witz und Schlagfertigkeit, die Garfield ja auszeichnen, sondern wir erfahren, wo Garfield eigentlich herkommt. Und das ist eine sehr rührende Geschichte, die uns erzählt, wie er am Schluss – und das passt jetzt thematisch zum Magazin – zu seiner Stärke findet. 

 

Wie war es denn für Garfield, dass ein Mensch wie Du ihn spricht?

Wir haben uns gut verstanden! Ich habe gespürt, dass er auch ein gutes Gefühl hatte, mit meiner Stimme und sich gut ausgedrückt gefühlt hat. 

Hattest Du denn, als Du die Rolle gesprochen hast, auch ein bisschen Interpretationsspielraum oder ist da alles bereits vorgegeben?

Garfield wird ja im Original vom wunderbaren Chris Pratt gesprochen und der gibt natürlich schon mal die Linie vor, wie das Ganze in etwa in der Tonalität zu klingen hat. Und der Chris Pratt hat dem Garfield so einen leicht nörglerischen, pubertären, fast nöligen Ton gegeben. Und an dem habe ich mich so ein bisschen orientiert. Das hat richtig Spaß gemacht, die Emotionalität immer hinter einer pubertierenden Nöligkeit zu verstecken. Ich habe also nicht versucht den Garfield neu zu erfinden, sondern habe mich stark am Original orientiert.

 

Welche Aspekte von Garfields Persönlichkeit und Charakter haben Dich denn im Besonderen inspiriert? 

Der Garfield liegt ja nicht unbedingt im Trend. Er macht nichts unter Zeitdruck, er ist auch keiner, der auf Leistung fixiert ist, es sei denn es geht um viel Essen, da ist er sehr leistungsstark. Aber was wir so klassisch unter Leistung verstehen, da kann man Garfield nicht mit kommen. Insofern ist er ein Gegenprogramm zu unserer doch sehr hektischen, modernen Welt, was mir ganz gut gefällt. Er hält uns immer wieder dazu an, zu gucken, wo wir am Ende bleiben, bei all der Hektik, in der wir uns bewegen. Und das war für mich so der stärkste und schönste Charakterzug, den ich mir von ihm hoffentlich auch abschauen werde. Abgesehen davon, dass er natürlich immer witzig ist, immer bisschen zwiespältig, ist er ein Egoist, aber wir lieben ihn dafür und er hält die Familie zusammen, das wird man im Film sehen.

 

Du bist ja selbst immer ein Revoluzzer gewesen, bist auf wildfremde Menschen zugegangen, hast sie parodiert, angesprochen – macht Dir das nichts aus, Menschen bloßzustellen? Das ist ja mitunter das Schwierigste, das man so machen kann.

Das ist mir immer schwer gefallen, aber ich hatte schon als Kind ein bisschen so das Gefühl, dass Deutschland zwar quadratisch, praktisch und gut ist, aber wir doch alle in einer Art Kasten leben und irgendwie nicht über diese Schranken in diesem Kasten hin-ausgucken. Zudem hatte ich das Gefühl, dass der Deutsche schon sehr obrigkeitshörig ist und auch das mochte ich als Kind schon nicht, deshalb war ich Klassensprecher und Schülersprecher und habe mich mit dem Schuldirektor und dem Regierungspräsidenten und wer da noch alles war, angelegt, das scheint irgendwie in meiner DNA verankert zu sein und das hat bis heute auch nicht aufgehört. Deshalb hat mir das immer Spaß gemacht, zu sticheln, herauszufordern, und ich bin dann immer über meinen Schatten gesprungen, weil ich dachte:„ Es tut den Deutschen doch mal ganz gut, wenn sie mal so ein bisschen aufgewiegelt werden.“ 

 

Aber es belastet einen auch, Du bist dafür ja sicherlich auch ein wenig angefeindet worden. 

Es belastet, ja, aber es befreit auch ungemein und die Befreiung ist mir wichtiger als die kurze und knappe Belastung. Die Befreiung hält länger an. Insofern habe ich mich immer dafür entschieden. Aber ich mache das ja in dieser Form so nicht mehr. 

 

Empfindest Du das selbst auch als Stärke?

Ich empfinde mich überhaupt nicht als stark. Nein, ich weiß, dass ich meine Stärken habe und ich habe auch in meinem Leben gelernt, dass vor allem Schwäche zu zeigen, eine große Stärke ist und das nur dann Stärke in einem erwachsen kann, wenn man sich seiner Schwächen bewusst ist. Wenn einem alles das, von dem man glaubt, dass man auf einem Gebiet nicht stark ist oder bestimmten Herausforderungen nicht standhält, wenn einem das nicht bewusst ist, wird man niemals zur Stärke gelangen. Aber ob man tatsächlich zu so einer Stärke kommt, dass man sagen kann: „Mir kann keiner was!“? Ich weiß gar nicht, ob ich da so hinwollte. Ich finde eigentlich diesen Zweifel im Hinterkopf ganz gesund und dass man die Dinge hinterfragt und nochmals darüber nach-denkt. Vielleicht kann ich da auch nicht aus meiner Haut. Aber das kann wiederum eine Stärke sein. 

 

Viele Schauspieler sehen es als Auftrag, dass sie die Welt, zumindest auch anhand ihrer Rollen, ein stückweit besser machen wollen. Viele davon sind auch große Vorbilder. Hast Du auch einen Auftrag?

Ich sehe mich – ein großes Wort – im Dienste der Wahrheit. Ich bin immer für Wahrheit, Offenherzigkeit, Klarheit, keine zweite Ebene, und in diesem Sinne handle ich, versuch mich so authentisch zu geben, wie ich es nur kann und erwarte das auch immer von anderen. 

Ist es schlimm, wenn Dich diese dann enttäuschen? Denn so eine Haltung bringt natürlich Enttäuschung mit sich.

Das bringt das Leben mit sich, dass man enttäuscht wird. Das muss man einkalkulieren, das ist eingepreist im Leben, dass man auch ordentlich eine vor den Latz bekommt. Vielleicht ist das sogar die wesentliche Lektion, die jeder von uns lernen muss. Wir versuchen ja heute alles und jeden in Watte zu packen, damit keiner sich beleidigt fühlt und auf den Schlips getreten. Es ist sicher richtig, dass man guckt, dass man niemanden verletzt und beleidigt, aber andererseits gerade durch Verletzung, durch Reibung, wächst man ja auch und so ist dann plötzlich kein Wachstum mehr möglich, weil Menschen nicht mehr herausgefordert sind. Jeder muss irgendwie auch gefordert sein, sonst entsteht das Gefühl, dass Menschen nicht mehr wachsen können und das auch manchmal gar nicht mehr wollen.

 

Sie verweichlichen?

Ich weiß gar nicht, ob man dann verweichlicht, es wird eher alles so relativ, es wird alles auf ein Level gebracht, das kann nicht gesund sein. Jeder Mensch ist anders und wir wollen diese Individualität und diese Buntheit. Genau das muss man auch ausleben können. 

Früher hat man, denke ich, etwas mehr einstecken können? 

Heute ist es so, dass wir uns auf ein neues Bewusstsein zu bewegen. Das ist einerseits gut, andererseits haben wir auch noch nie so viele extremistische Töne gehört, wie das im Moment der Fall ist. Und es wird immer noch extremer. Auf der einen Seite sind wir sehr empfindlich, auf der anderen Seite hauen die Leute sehr viel schneller drauf. Ich habe ein bisschen Angst, wo uns diese Entwicklung hinführt. Wir werden sehen.

 

Wie gehst Du denn selbst mit Kritik oder Ablehnung um? Es gibt ja bestimmt nicht nur Befürworter. 

Wenn man als Künstler vollmundig die Fresse aus dem Fenster hält, dann muss man damit leben, dass einem alles Mögliche um die Ohren fliegt. Und wenn man nicht kritikfähig ist, dann kann man diesen Job nicht machen. Man darf nicht an Kritik zerbrechen, man darf sie auch nicht zu persönlich nehmen. 

 

Gelingt das immer?

Es ist wichtig, dass man im direkten Umfeld Menschen hat, die einem klar und deutlich die Meinung sagen, was einerseits die eigene Person betrifft und andererseits die Kunst und die Arbeit. Ob mir das immer gelingt? Nicht im gleichen Maße. Es gibt Tage, an denen bin ich verletzlicher und es gibt Tage, an denen macht mir so manche schlechte Kritik gar nichts aus. Das ist immer auch tagesformabhängig.

Hat sich das im Laufe des Lebens verändert?

Ich dachte immer, man bekommt dann irgendwann eine Elefantenhaut und dann macht es einem gar nichts mehr aus. Ich will nicht sagen, dass ich noch empfindlicher geworden bin, aber ich bin doch eigentlich noch empfindlicher geworden, aber es schlägt nicht mehr so schwer ins Kontor, wenn ich etwas beleidigend oder herabwürdigend finde. 

Da bist Du mit Garfield auf einer Linie, oder wie geht dieser mit Rückschlägen und Hindernissen um?

Eine Katze hat nicht ohne Grund sieben Leben – Aufstehen und Weitermachen. 

Gibt es noch einen Tipp, wie man gut durch solch schwierige Zeiten kommt, wie sie im Moment herrschen?

Was ich mache: ich versuche mich auf mein persönliches Umfeld zu konzentrieren und im persönlichen Umgang bewusst mit meinen Mitmenschen umzugehen. Jedem respektvoll zu begegnen, in der Hoffnung, dass das irgendwann mal Wirkung zeigt. So wie der Effekt des Schmetterlings, der irgendwo flattert und dann in China ein Sack Reis umfällt. So in diesem Sinne.

Es kommt dieses Jahr auch noch ein Buch von Dir heraus?

Am 25. September kommt: „Gebt mir etwas Zeit“ heraus . Da geht es vor allem um Ahnenforschung, um Dinge, die ich heraus-gefunden habe, über meine Familie, aber nicht nur über das, es wird wohl für jeden interessant sein. Ein unterhaltsames, spannen-des Buch, mit einem schönen Tiefgang. 

Wir lieben ja auch sehr Deine letzte CD. Deine Liebe gilt auch der Musik.

2021 ist „Mal unter uns...“ erschienen. Mit Geschichten, die ich in den Songs erzähle und die euch in meine Welt mitnehmen. In den 14 Songs von „Mal unter uns…“ reflektierte ich über das Leben, die Liebe und Vieles, was nicht nur mich, sondern auch euch bewegt. Mein persönlichstes Album meines Lebens, das tiefe Einblicke in meine Gefühls- und Gedankenwelt gewährt – von hochemotional bis amüsant und lebensfroh.

Vielen Dank, lieber Hape, für das sehr interessante und offene Gespräch!

Foto Susie Knoll/ARIOLA

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