Omar Miller im Interview

Omar Miller im Interview

Hollywoodstars sind meist keine studierten Philosophen. Aber ihr Schaffen bedingt, dass sie sich mit so allerlei Charakteren und Lebensbedingungen auseinandersetzen müssen, um in Rollen einzutauchen und diese glaubhaft transportieren zu können. Das kreiert eine Lebensweisheit, die sie anderen oftmals überlegen werden lässt. Ein besonders gutes Beispiel: Omar Miller. Sie haben ihn schon auf den Bildern erkannt? Natürlich – das Lachen des zwei Metern großen sympathischen Schauspielers ist unverwechselbar. Begonnen hat für ihn letztlich alles mit "8 Mile" und Eminem. Einem Film, der weltweit mehr als 240 Millionen Dollar eingespielt hat. 
Wenn man an die Spitze will, muss man eine wirklich große Vision im Leben haben. Hattest Du diese immer?
Ja, denn ich denke, es ist sehr schwierig irgendwo hinzukommen ohne eine "Landkarte". Und im Metaphorischen ist die Vision die Landkarte. 
Ich war immer schon jemand, der über alles Große hinausgeträumt hat, ich habe immer möglichst groß geträumt. Denn auch wenn man dieses hohe Ziel nicht erreicht, ist das, was man erreicht, immer noch höher als wenn man etwas Kleines anvisiert hätte. 
Ich suche immer nach etwas, was das dann übersteigen kann. Ich bin auch jemand der sagt: „Warum nicht ich?“ Ich bin ein großer Optimist im Denken, dass Dinge in meinem Sinne passieren und auf mich zukommen, statt dass sie mir passieren und ich ein Opfer bin.
Hast du als Kind auch schon so gedacht?
Ich denke, dass wir alle ein Produkt unseres Umfeldes sind. Und ich bin wirklich ganz fantastisch aufgewachsen. Mit jeder Menge Liebe. Ich wuchs sehr beschützt in einer großen Familie auf als jüngstes von sieben Kindern. Ich wurde unterbrochen geliebt und ermutigt. In diesem Umfeld war es mir erlaubt zu entdecken, statt dass ich Angst hatte Fehler zu machen. Ich wurde ermutigt mich dem Wettbewerb zu stellen und Dinge zu versuchen. In vielen verschiedenen Bereichen. Um dieses Selbstvertrauen zu bekommen und herauszufinden, in welchen Bereichen man gut ist und in welchen Bereichen man eben nicht gut ist. Auch wenn das jetzt merkwürdig klingt. Denn genau das schenkt einem ja die Möglichkeit herauszufinden, was man kann und wo persönlich die größten Ressourcen zu finden sind. Und dann muss das immer wieder adaptiert werden. Als ich jung war habe ich zum Beispiel Baseball gespielt. Baseball ist ein Sport des Verfehlens. Es ist nicht wie bei anderen Sportarten, wo man während des Spiels viele Möglichkeiten erhält, zu gewinnen. Man hat innerhalb des Spiels nur sehr wenige Möglichkeiten und muss sich gewahr werden, in welchem Moment diese stattfinden. Man könnte fast sagen, dass mich Baseball in die Unterhaltungsbranche gebracht hat, weil das auch ein Metier des Versagens und des Fehlerhaften ist. Vor allem als ich damals angefangen habe. Heute ist die Situation ein wenig anders, heute können die Schauspieler und Künstler ihre Inhalte zum Teil mitbestimmen, was sehr unterstützend ist. Das war eben damals ganz anders, da hat eine Filmkamera auch noch enorme Summen gekostet. Heute hat man die ganze Technologie sozu-sagen in der Hosentasche, kann alles mit dem Handy filmen und erhält dennoch eine Qualität, die wirklich filmreif ist und an die großen Kinostreifen erinnert, die man in seinem Leben gesehen hat. Das eröffnet unglaubliche Möglichkeiten. Ich hatte seinerzeit wirklich Glück, dass ich zu Projekten kam, in denen ich tatsächlich mein Talent zeigen konnte.
Während dieser ganzen Zeit hat sich natürlich dann Deine Persönlichkeit entwickelt. Denkst Du, eine Karriere ohne viele persönliche Erfahrung wäre überhaupt möglich?
Ja, das wäre möglich, aber es würde nicht so viel Spaß machen 
(lacht). Ich weiß nicht, warum das irgendwer wollen sollte. Ich sage immer: „Wir machen reales Leben unter imaginären Umständen.“ Das ist die Art der Schule, die ich durchlaufen habe. Wenn es also nun zu einem Charakter kommt oder zu einer Szene, tauche ich in etwas ein, was real ist und was ich selbst im Leben erfahren habe. Um in diesem Moment ein aufrechter und glaubwürdiger Darsteller zu sein, habe ich immer versucht, im Vorfeld so viele persönliche Erfahrungen wie nur möglich 
zu sammeln, um sie dann einbringen zu können. Und das ist es auch, was ich mache: ich reise, ich tauche in Dinge ein, ich frage Freunde und Bekannte, die in ganz anderen Bereichen arbeiten und manchmal besuche ich sie und schaue, was sie so arbeiten und was dort so passiert. Das Schöne am Schauspiel ist, dass es einem Einblicke in jeden Beruf gibt, in jedes Geschehen, das es auf dem Planeten gibt.
Wenn Du nun einen wirklich sehr speziellen Charakter spielen musst, nehmen wir mal an, einen Mörder, und Du gehst nach den Dreharbeiten nach Hause – kannst Du dann die Rolle gleich wieder verlassen und alles vergessen?
Glaubst Du, der Mörder hat eine schlechte Zeit und kann kaum schlafen, wenn er nach Hause geht? Vielleicht sollte er das, aber dann wär was mit ihm verkehrt. Also wahrscheinlich hat er das alles nicht. Aber was ich gelernt habe ist, dass man ein Invest-ment macht, in den Charakter, den man spielen muss. Ob es nun ein guter Charakter ist oder ein schlechter – es gibt einen Preis, den man dafür zahlen muss, ihn zu spielen. Man sieht das immer wieder, das Schauspieler dann Selbstmord begehen oder eine Überdosis Drogen nehmen, weil sie viel zu tief in die Rolle eingestiegen sind. Die meiste Zeit durfte ich jedoch den Netten spielen, den Nice Guy. Da habe ich den Vorteil, dass es mir damit gut gehen kann und es mir eine Ode an das Lachen ist. Manchmal bekomme ich natürlich auch ernsthafte Rollen angeboten. Was ich schon sehr früh gelernt habe ist: Wenn man in eine Rolle schlüpft, muss man im Anschluss wieder dekomprimieren. Den ersten großen Film den ich gemacht habe war "8 Mile" mit Eminem. Es war mein erster Moment im Leben in einem echten Winter, denn ich bin in Kalifornien aufgewachsen. Und plötzlich war da überall Eis um mich herum und ich dachte mir nur: „War-um wollen Menschen so leben wie hier?“ Ich war da gerade mal 23 Jahre alt. Das, was ich gemacht habe, als ich dann wieder nach Hause kam, war – Schlafen! Meine Mutter, die mir dann ab und an was zum Essen gebracht hat, hat gesagt: „Immer wenn du von Dreharbeiten nach Hause kommst, dann schläfst Du erst mal zwei Wochen!“ Und ich habe damals herausgefunden, dass ich diese Zeit der Erholung im Schlaf brauche, fast wie eine Meditation, um wieder zu mir zu finden und um dann wieder zu wissen, was ich persönlich machen möchte.
Hast du jemals Fehler gemacht in deinem Leben?
Unterbrochen! Das ist der einzige Weg, um zu gewinnen. Ich entdecke das auch immer, wenn ich mit Studenten spreche oder vor Studenten spreche: Fehler sind ganz eng verwoben mit Erfolg. Es gibt keinen Weg, erfolgreich zu sein, ohne dass Fehler gemacht werden. Der Schlüssel sind Tapferkeit und Stärke und den Optimismus zu bewahren, um weiter zu machen. Man muss die Fehler, die gemacht wurden und was durch sie gelernt wurde, in das neue Ziel oder den neuen Erfolg mit einbringen. Ich hatte sehr viel Erfolg in meinem Leben aber ich habe noch viel mehr Fehler gemacht. Das Schöne daran ist, dass Erfolg aus Fehlern geboren wird. Man muss den Fehler nur möglichst gering halten und man darf Fehler nicht wiederholen. Wenn Dinge verkehrt laufen, dann muss man erkennen, dass es nötig ist, den Kurs zu ändern. Was ich im Leben gelernt habe ist, dass man den falschen Weg nicht weitergehen kann, wenn man erkannt hat, dass dies der falsche Weg ist. Schon in der Mitte des Weges muss man erkennen, dass es verkehrt ist, was man da tut. Und es ist völlig egal über was wir hier sprechen, über ein Sportevent oder einen Businessplan. Es sind die Anpassungen im richtigen Moment, die ein Projekt erfolgreich sein lassen oder es zum Scheitern verurteilen. Denn wie oft entwickeln sich Dinge genau nach Plan? So gut wie niemals, oder? Natürlich braucht man einen Plan aber man muss auch wissen, dass man immer nachjustieren muss.
Große Karrieren erfordern einiges an Voraussetzung, wie Vision, Willen und Tatkraft aber manchmal auch den Wunsch, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Hast Du jemals versucht die Welt zu verbessern?  
Täglich! Ich bete dafür, das ist Teil meines Glaubens. 
Ich versuche mein Licht scheinen zu lassen und andere damit zu erhöhen. Ich glaube an die Brü-derlichkeit der Menschheit. Ich denke, wir sind alle miteinander verbunden. Es ist sehr wichtig, dass man Menschen ermutigt und nach oben bringt. Das ist ein grundlegendes Element der Menschlichkeit. 
Nach all dem Tiefgründigen wollen wir jetzt doch einmal wissen, wie ein ganz normaler Tag bei Dir in Hollywood aussieht. Wie viele Stunden arbeitest du denn am Tag?
Das kommt ganz darauf an. Ich habe zum Beispiel gerade eine Pilotserie für CBS gedreht, dafür musste ich nach Louisiana. Die Dreharbeiten begannen um sieben in der Früh und abends um Neun waren wir vielleicht mal fertig. Fünf Tage die Woche Drehen von verschiedensten Szenen. Am Wochenende geht man dann heim und wäscht seine Unterwäsche. Aber an Tagen wie heute zum Beispiel, gebe ich ein paar Interviews, mache Sprachaufnahmen für Trickfilme, ein bisschen Sport, um meine Gesundheit zu erhalten und eine große Portion an Zeit ist täglich für Kreationen reserviert. Gemeinsam mit meinem Bruder habe ich einen Podcast oder wir schreiben oder wir brainstormen Ideen. Wir haben einen Independent Film gemacht und mussten reisen. Man füllt als Erwachsener also sein Leben und schaut auch, dass die Rech-nungen bezahlt sind. Es ist anstrengend! (lacht). Auch wenn man dann mal eingeladen ist und wohin gehen muss, ist das anstrengend und ich bin sehr oft müde (lacht). 
Steht wirklich jeder in Los Angeles um Fünf Uhr in der Früh auf? Es gibt einen Mythos, dass dort sehr früh aufgestanden wird und dann gleich Sport gemacht wird.
 
Nein, niemals! Aber es gibt natürlich viele Menschen hier die nachts arbeiten. Es ist eine Weltmetropole und einer der Plätze auf der Welt, der 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche offen hat. Die Autobahnen sind Tag und Nacht immer verstopft. Aber es hilft natürlich, immer früh dran zu sein und zeitig zum Beispiel zu Castings zu gehen oder sich vorzustellen beim Produzenten und zu zeigen, dass man motiviert ist. 
Musst du noch um Jobs kämpfen oder dich bemühen oder kommt inzwischen alles auf Dich zu?
Es ist immer ein bisschen Kampf involviert aber es ist nicht das Gleiche wie vor 20 Jahren. Jetzt habe ich Freunde, mit denen ich immer zusammen bin oder zusammenarbeite, die die Macht haben, Menschen für Projekte zu engagieren. Die ersten Menschen, an die man denkt, wenn man Leute einstellen kann, sind doch die Freunde. Aber es kann auch passieren, dass wenn man eine bestimmte Rolle gerne spielen würde, dass dann der Regisseur oder Produzent einen für diese Rolle nicht als geeignet empfindet. Und dann muss man nachweisen, dass man das aber doch sehr wohl wäre.
Wie war es denn in deinem Leben, als Du das erste Mal einen dieser Mega-Stars, mit denen du zusammengearbeitet hast, getroffen hast?
Wenn man Menschen trifft, die man sehr bewundert hat, wird alles noch realer. Man fühlt sich, als könnte man sie anfassen, so nah kommt das Ganze plötzlich an einen heran. Man fühlt, dass diese Person, die 100 Millionen Platten verkauft hat, plötzlich zum Anfassen ist und man sie jederzeit anrufen könnte, weil sie jetzt plötzlich direkt neben einem steht. Aber was man hier auch erwähnen muss ist, wie mächtig die Medien sind. Denn die Per-sonen, die man da immer sieht, werden Teil des eigenen Seins, so real ist das Ganze. Ich erinnere mich gut, als der Film 8 Mile heraus kam und ich Ice Cube und Chris Tucker treffen durfte. Das war so ein Riesending für mich, einen Chris Tucker zu treffen. Und plötzlich sprach der mit mir und lobte mich, das war so unglaublich. Aber wir sind ja alle nur Menschen. 
Ja! Manchmal ertappt man sich dabei, dass man das Gefühl hat, dass man Menschen, die viele Rollen im Kino oder Fernsehen spielen, bereits kennt.
Das ist mein Job als Schauspieler. Mein Job als Schauspieler ist Realität. Wenn man das, was man da sieht, nicht glaubt, habe ich einen Fehler gemacht. Entweder habe ich dann die falsche Rolle gewählt oder man hat mir eine falsche Rolle zugewiesen oder ich konnte die Rolle nicht wirklich gut ausarbeiten.
Nach all den vielen Rollen, die Du gespielt hast – was ist Dein Lieblingsprojekt im Moment?
Es kommt jetzt ein Projekt zusammen mit Samuel L Jackson heraus und da bin ich wirklich sehr aufgeregt. Denn das ist tatsächlich eine Person, die ich mein ganzes Leben bewundert habe. Und jetzt darf ich mit ihm arbeiten und mehrere Szenen mit ihm gemeinsam aufnehmen. Einige Monate zusammenarbeiten. Es ist sein Fernseh- Debüt. Und ich liebe diese Rolle, die ich da spiele, in einer Geschichte von Walter Mosley, einem wirklich wunderbaren Autor. Früher musste man sich noch entscheiden, ob man nun Kino- oder Fernsehrollen spielt. Heute geht beides. Das hat sich sehr verändert. Auch ein absolutes Highlight für mich: Letztes Jahr in der Höhe der Pandemie durfte ich auch Teil der Ninja Turtles sein! Auch ein Lebenstraum!
Text und Interview: Elke Bauer
Foto: Ben Cope
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